Der Genusstalk mit Johannes Quirin

Transkript

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Johannes Quirin: Herzlich willkommen bei einer neuen Folge Genuss Talk. Heute bin ich in Böblingen unterwegs, eigentlich bei so einem 1000 Sasser, denn er ist nicht nur Koch, sondern er ist auch Jäger und er hat sogar ein Spätzle-Automat vor dem Haus stehen. Ich bin bei Timo Böckle zu Besuch und seit fast 20 Jahren begeistert er auch unter anderem das SWR-Publikum ständig mit tollen Gerichten, meistens etwas mit Wild, ist ja auch ziemlich naheliegend, wenn man auch Jäger ist. auch dieses Jahr noch was spannendes vor. Im September gibt es nämlich auch noch mal ein neues Restaurant neben dem altehrwürdigen Reusenstein, das hier in Böblingen steht. Ich freue mich, dass ich heute bei dir zu Gast sein darf. Hallo Timo! Ja, du stammst aus einer Metzgerfamilie ab und der Reusenstein, gibt es ja auch schon ewig. Aber war das schon immer dann auch klar bei dir, dass du in diese Fußstapfen der Familie treten wirst?

Timo Böckle: Hallo, herzlich Willkommen. Ja, also früher hat man sich über solche Dinge wenig Gedanken gemacht. Da ist man dann irgendwie so reingerutscht. Ich war auch nicht so gern in der Schule und habe dann gemerkt, okay, kochen ist mein Ding und dann, warum nicht?

Johannes Quirin: Aber hast natürlich dann auch irgendwann gemerkt, okay, ich machs schon auch bisschen anders als die Generationen davor. Man muss ja auch sich immer wieder selbst neu erfinden. Ist das immer so einfach gewesen? Auch wenn dann vielleicht noch die Generation davor mit im Betrieb war.

Timo Böckle: Nee, einfach ist es nicht. denke mal, so ein Generationswechsel bringt immer so seine Probleme mit, ganz egal in welcher Branche. Aber ja, man muss beweglich sein. Die Zeiten ändern sich. Früher ging das alles noch ein Stück langsamer und heutzutage geht das so rasend schnell, dass du gar nicht mehr weißt, wo vorne und hinten ist manchmal. ja, also wenn du es mit Herzblut machst, ist, glaube ich, alles kein Geschäft.

Johannes Quirin: Ja und wenn man den Reusenstein nicht kennt, ganz besonders 100 % schwäbisch, steht auch schon draußen vor der Tür, also eines der ersten Lokale, überhaupt sogar das erste Lokal hier in der Region, so auf diese Regionalität 100 % gesetzt hat, Sogar deutschlandweit.

Timo Böckle: sogar deutschlandweit. Wir waren eigentlich das erste Regionalvermarkte-Restaurant in Deutschland, zu 100 Prozent mit regionalen Produkten arbeitet. Sowohl im Speisen- auch im Getränkebereich. Schon sehr, sehr lange, lange bevor es cool war, regional zu arbeiten. Der eine oder andere Kollege hat mich damals auch immer so ein bisschen als Waldorfschüler unter den Köchen bezeichnet. Und damals war das noch nicht cool, da hast du viel Gegenwind gekriegt. Und heutzutage ist es ja Gott sei Dank inzwischen selbstverständlich. Aber irgendeiner muss ja anfangen. Vielen

Johannes Quirin: Ja genau, irgendwie muss man natürlich vorne wegpreschen. Da steckt natürlich auch sehr viel Heimat drin. Was bedeutet denn Heimat für dich?

Timo Böckle: sehr viel, wobei es natürlich ganz viele tolle Regionen gibt und tolle Regionen mit wunderbarem Essen in ganz Deutschland, wunderbaren Weinen. Aber irgendwie musst du dich ja auf irgendwas festlegen, ich mal. Und ich war auch ein bisschen auf der Welt unterwegs, aber schwäbische Küche, das Schwabenland ist meine Heimat und da fühle ich mich wohl und dementsprechend war es nur schlüssig, dass ich dann auch das Konzept 100 Prozent schwäbisch damals dann ins Leben gerufen habe.

Johannes Quirin: Verstehen das auch alle Gäste, die hierher kommen oder sind sie plötzlich überrascht, wenn sie keinen anderen Wein als den schwäbischen hier auf der Karte finden?

Timo Böckle: Ja, also inzwischen wissen Sie es. Es hat sich ja schon rumgesprochen, aber das ist natürlich ein Punkt gewesen, Logisch. der Württemberger Wein, hat ja nicht immer den guten Ruf, den er jetzt hat. Und das war natürlich so ein Ding am Anfang. Es war nicht ganz so einfach, aber ja, auch die werden besser. Die vielen Winzer-Kollegen mich herum werden auch besser und unterstützen mich dabei, die richtigen Getränke zum richtigen Essen zu servieren.

Johannes Quirin: Hier klassische schwäbische Küche im Reusenstein, natürlich auch schon sehr wild geprägt durchaus, weil du ja auch Jäger bist, gehört das einfach auch zu diesem 100 % regional, 100 % schwäbisch dazu, dass du sagst, ja, wir setzen jetzt nicht nur auf Tiere, die irgendwo gezüchtet werden, sondern ich gehe auch im eigenen Jagdrevier auf die Pirsch und bringe dann im Idealfall auch was mit.

Timo Böckle: Ja, das ist im Endeffekt nicht... Die Wildgeschichte hat nicht jetzt unbedingt was mit der Regionalität zu tun. Ist natürlich auch regional das Wild, das wir hier verarbeiten, aber das hat mehr was mit Herzblut zu tun. Es gibt eigentlich... Ich mache viele Dinge, sehr viele Dinge, dann würde der Postkart-Podcast irgendwie 2,5 Stunden dauern. Aber im Grunde genommen kannst du es einfach zusammenfassen. Ich bin sehr gern am Herd und ich bin sehr gern im Wald und ich habe zwei große Leidenschaften, das Kochen und die Jagd und die zwei Dinge miteinander zu verbinden. macht mehr als Sinn.

Johannes Quirin: hat ja auch was mit Naturschutz und so weiter zu tun. So muss man es ja auch sehen. Also wenn man da auf der Jagd ist, schützt man natürlich auch bestimmte Dinge. Klar wird man jetzt wieder den Aufschrei hören, warum muss jetzt hier Tier geschossen werden. Aber wenn die Population eben zu viel ist, man sieht es in einigen Städten Deutschlands, dann hat man plötzlich Wildschweinhorden, die Gärten und Vorgärten durchwühlen und zerstören.

Timo Böckle: Ja, da gibt es natürlich ganz viele Argumente, die für die Jagd sprechen und es gibt mit Sicherheit auch Argumente, die dagegen sprechen. Wobei man, wenn man es jetzt wissenschaftlich betrachtet, natürlich die Jagd sehr wichtig ist in Deutschland, weil wir ja keine Kulturlandschaft sind und jetzt keine Urwälder oder Ähnliches mehr haben. Aber ja, das ist zu tief gegriffen. Für mich ist, wenn da ein Reh vorbeispringt oder ein Reh auf die Wiese tritt, dann ist es für mich... Braten. Ja und es gibt mit Sicherheit Jäger, schauen dann aufs Gehirn und gucken, ist das jetzt eine Trophäe oder ist das keine Trophäe, wobei das tatsächlich wenige sind. Bei mir ist es der Braten. Also bei mir geht es eher so, wie viel Kilo hat es und ich sehe es dann schon in der Pfanne brutzeln und weiß, dass ich ein tolles Lebensmittel gewonnen habe.

Johannes Quirin: Du verwertest ja auch alle. Also Nose to Tail wird hier auch komplett...

Timo Böckle: Ja, wobei man sagen muss, Wild ist unser Steckenpferd hier am Reusenstein. Gutes Fleisch im Allgemeinen, aber vor allem wild. Es hat sich in den letzten 20 Jahren gedauert, war nicht so einfach, die Leute auch da auf die Reise mitzunehmen, weil früher war ja Wild immer nur so in den kalten Wintermonaten. Inzwischen ist es ganzjährig bei mir gleich gefragt, dass ich verkaufe im August genauso viel Wild wie im November oder im Dezember. Und die kommen teilweise von weiter her, weil sie wissen, dass es hier gutes Wild gibt. Wobei man sagen muss, aus meinem Revier, ich auch ein sehr großes Revier mit über 870 Hektar. Da kommen nur so in guten Jahren vielleicht 4-5 Prozent, in normalen Jahren so 3 Prozent von allem Wildherr, das wir hier im Restaurant verkaufen. Der Rest kommt von vielen Jägern, die einzeln anliefern. Also wir sind eine sehr starke Kreisjägervereinigung mit 1000 Jägern, die Mitglieder sind und natürlich auch ein bisschen was vom Forst.

Johannes Quirin: Ja, das ist... weiß, wie heißt der Hegermeister oder wie...

Timo Böckle: Wenn es gut läuft, auch Kreisjägermeister jetzt schon als nächstes. Die Wahl ist jetzt in zwei Wochen. Und dann schauen wir mal, ob ich dann das Sprachrohr sein darf und diesen großartigen Verein dann leiten darf.

Johannes Quirin: Sprachrohr und Aushängeschild bist du ja auf jeden Fall auch im Fernsehen, da bist du ja auch regelmäßig beim SWR zu sehen, auch oftmals oder sogar meistens mit Wildthemen.

Timo Böckle: Ja, natürlich, klar, bietet sich an. Also wenn es Wild geht im SWR Fernsehen oder auch im ARD jetzt im weiteren Sinne, auch in anderen dritten Kanälen, dann ist es eigentlich meistens wild. Ich habe aber auch noch andere Dinge wie einkochen oder was auch immer gemacht.

Johannes Quirin: Wie ist es denn überhaupt dazu gekommen, dass du dann plötzlich dann TV-Koch geworden bist? War das reiner Zufall oder hast du da schon Bock drauf gehabt?

Timo Böckle: Zufall ist immer relativ. Ich habe eine Weile für einen Johann Laffer gearbeitet. Damals hatte er, ich glaube, es war der erste Koch, der sein eigenes Fernsehstudio hatte. Und das hat mich damals schon interessiert. Da habe ich viel mit reingeguckt, habe auch viel lernen dürfen. Und als ich dann den Betrieb übernommen habe, war natürlich alles nicht so, wie es sein sollte. Bedingt durch die Krankheit meines Vaters war es ein bisschen schwierig hier. Und dann habe ich halt geguckt, wie ich alles in die Waagschale werfen kann, was uns irgendwie weiterbringt. Auch marketingtechnisch für Werbung war kein Geld da, es kurz zu sagen. Und dann habe ich gedacht, Herr Kutt, dann ... Da war die Fernsehgeschichte noch ganz neu, da gab es noch keinen Melzer, da gab es noch keine Sache. Ich mache das schon relativ lang. Da habe ich dann Konzepte geschrieben für verschiedene Fernsehformate, die mit Tochens zu tun haben und habe die dann an Sender verkauft. Und irgendwann hat einer gesagt, ja, das Konzept ist toll und wir haben da immer so kleine Videos dazu gedreht, weil wir uns damals so die das nicht schützen lassen konnten, diese Rechte. dann haben die gesagt, ja, dann nehmen wir den Typen mit der Glatze auch gleich mit dazu.

Johannes Quirin: Und so kam es. Und jetzt ist es regelmäßig. Ich glaube einmal die Woche oder wie ist das, sieht man dich oder sogar öfter oder weniger, ich weiß es gerade.

Timo Böckle: Es ist unterschiedlich. Es kommt auch bisschen darauf an, wie viel Zeit ich tatsächlich habe und was ich sonst noch an der Backe habe. Während Corona war es viel. Da waren es, glaube ich, 50, 60 Sendungen oder so im Jahr. Und ansonsten, was fix ist, immer seit 20 Jahren ist der erste Mittwoch im Monat. Das ist immer meine Live-Sendung. Der Termin steht schon immer. Da können sich die Zuschauer drauf lassen. Wird auch hoffentlich so bleiben, wenn sie keinen mit langem Haaren finden, der besser kocht. ja, das ist so. Und ansonsten viele andere Projekte. ruft dann jemand WDR an und will was spezielles produzieren oder es gab auch in den letzten 20 Jahren viele Einzelformate, die über die ARD und den SWR produziert wurden, wie zum Beispiel Böckler & Tuer, Lecker hoch 3, Küchenklassiker und so weiter. sind alles Formate von mir, die wir teilweise auch selber produziert haben oder Koch Einheits als letztes großes Projekt, das wir gemacht haben. Das haben wir komplett selbst produziert und dann der SWR hat dann noch das Sende-Logo drauf gemacht. Redakteure waren natürlich immer involviert, aber das sind immer wieder Projekte, die da einstehen.

Johannes Quirin: die da entstehen. Und Publikum das sich sieht landet dann auch letzten Endes irgendwann meistens hier im Restaurant, dann tatsächlich mal live zu gucken, ob es auch wirklich so schmeckt wie es Fernsehen aussieht.

Timo Böckle: Im Idealfall schon. Also das wäre natürlich toll. Das passiert selbstverständlich auch klar. Wir haben ein relativ großes Einzugsgebiet Rheinland-Pfalz, Saarland, Baden-Württemberg. ja, das ist natürlich toll für mich, für mein Unternehmen, dass wir immer wieder im Gespräch sind und die Zuschauer auch dann zum Essen kommen und zum Übernachten.

Johannes Quirin: immer wieder neu erfinden. gilt natürlich im Fernsehen genauso, weil da will man ja auch nicht immer noch mal das sehen, was schon gemacht ist, aber das machst du auch hier mit dem Spätzletreif in einem Spätzleautomat. Aber jetzt hast du ja für dieses Jahr auch noch mal ein zweites Restaurant geplant, das ganz einfach Wild heißt, weil es auch Wild geht. Erzähl doch mal ein bisschen, wie du überhaupt auf die Idee gekommen bist, warum du sowas machst und wie das Konzept letzten Endes aussehen wird.

Timo Böckle: Also warum ich sowas mache, weiß auch so mir keiner. Verstehen tun es auch die wenigsten, aber das ist bei eigentlich allen Sachen so, die ich irgendwann mal auf den Tisch leg. Ich bin jemand, der sehr umtriebig ist und der immer wieder neue Dinge machen muss. dieses Konzept Wild oder unser neues Restaurant Wild, das ist eigentlich Herzblut. Also ich habe meine Kochschule hier unten. Unter dem Restaurant gibt es eine wunderschöne Gewölbeküche. Da habe ich die Kochkurse gemacht, die letzten 20 Jahre sehr erfolgreich. Das hat nie aufgehört. mir gedacht, den ganzen Möbelhäusern und den ganzen Kollegen, die inzwischen auch Kochkurse anbieten, das wird irgendwann weniger und dann kann ich vielleicht wieder mal was anderes machen. Aber es nie vorgekommen, es hat nie aufgehört und ich musste jetzt, habe ich mir gedacht, bevor ich 50 werde, haue ich die Bremse rein und stecke das mit den Kochkursen und baue da unten und mache ein kleines Restaurant rein mit zwölf Sitzplätzen und koche dann alleine inmitten der Gäste. Die können mir dann eins zu eins über die Schulter schauen und da kann ich dann das Thema Wild promoten und auch vielleicht Leute, die sie bis jetzt nicht an Wild ran gedraht haben, auch mitnehmen oder Leute, die wild begeistert sind, eben von weiter her nach Böblingen ziehen, die dann auch eben Idealfördern im Hotel übernachten.

Johannes Quirin: Komplett wild heißt tatsächlich, es gibt nur das, was einem vor die Flinte kommt, also dir oder einer deiner Kolleginnen oder Kollegen.

Timo Böckle: Ja, also es wird das erste Restaurant sein, dem 100 Prozent regional gekocht wird und keinerlei Fleisch von irgendwelchen domestizierten Tieren verwendet wird. Das ist das Alleinstellungsmerkmal vom Restaurant Wild. Wir eröffnen in September, da habe ich noch viel vor mir. Ich habe auch ganz viele Ideen, vielleicht muss ich die eine oder andere Idee auch wieder verwerfen, ich weiß es noch nicht, aber ja, das wird das Besondere an der Geschichte. Und es ist sehr spitz, das Konzept. Es gibt keine Alternativen, also es gibt keine vegetarische oder vegane Alternative sowieso nicht. Es gibt tatsächlich nur Wild. Und dann liegt es eben an mir, das Wild so zuzubereiten, dass es jeder mag und dass es jeden begeistert, auch wenn er bisher sich wie gesagt nicht an Wildland geht.

Johannes Quirin: Das ist immer so, man mag es oder man mag es nicht oder man hat irgendwie so bisschen Angst davor.

Timo Böckle: Ja, du mal eine schlechte Erfahrung gemacht. Irgendwie, keine Ahnung, in der Kantine so ein Gulasch von irgendeinem rauschigen Keiler oder so. Da hast du eben einen Geschmack im Kopf, und den rauszubringen, das ist sehr, schwierig. Wobei man sagen muss, also das Menü wird dann wechseln, das ist der Plan viermal im Jahr, Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Und ich möchte halt schauen, dass man die... dass man wirklich jeden abholt. Man darf sich das jetzt nicht so vorstellen, viele Schmorgerichte, schwere Soßen, was auch immer, sondern... viele kleine Geschichten, die ich im Kopf habe, ich dann hoffentlich nach und nach umgesetzt kriege, wie zum Beispiel nur einen Teil zu nennen. Man geht in Stehkhäuser auf der ganzen Welt und überall werden im Endeffekt Rindviecher dann zerlegt und in verschiedenen Cats serviert. Das macht im Bildbereich noch keiner. Also man kann diese Cats rein theoretisch auch aus einem Hirsch herstellen oder rausschneiden und dann dementsprechend auch zubereiten. Und das ist eines von vielen Eine von vielen Gründen, ich in dem Bereich habe.

Johannes Quirin: Und wie hast du geplant, dass das Restaurant Wild dann auch geöffnet ist? am Wochenende oder auch dann irgendwie ab Freitag oder ab Donnerstag?

Timo Böckle: Ja, wir fangen jetzt mal an mit vier Tagen. Wir machen jetzt mal Dienstag bis Freitag. Die Dienstag mit Wort Donnerstag ist dann eher für Businessgäste. Ich habe ja das Glück, dass ich in einer wirtschaftlich sehr starken Region meinen Betrieb habe. Und Dienstag mit Wort Donnerstag ist eben für die Geschäftsleute und dann Freitag für die Klavaten. So starten wir mal. Samstags brennt hier die Bude von morgens bis abends, sowieso im Restaurant, am Spätzeldrive. Das ist eigentlich unser stärkster Tag. Wenn das unten gut läuft, dann kann man das natürlich noch ausweiten. Aber jetzt muss man das mal klein anfangen.

Johannes Quirin: Ja klar, das Konzept ist ja auch sehr stark dann auf dich zugeschnitten. Im Endeffekt Chefs Table, wenn man das so nimmt, auch in der Küche. Da kann ja jeder auf die Finger schauen und erwartet natürlich. Und wartet natürlich dann auch, dass du da stehst. Das heißt natürlich, du kannst dann auch nicht hier in der Küche doppelt stehen.

Timo Böckle: Ja, es geht. Es ist eine 3-4 Stunden Service, die dann tatsächlich stattfinden werden. Die Vorbereitungszeit, machen wir dann hier oben in der Küche. Und mein ganzes Jungs zusammen und unten wird es dann finalisiert. Und natürlich auch viel Storytelling. Ich habe ja das Glück, dass ich ein relativ breites Spektrum habe zum Thema Wild, was ich dann eben den Gästen erzählen kann oder viel Hintergrundwissen liefern kann.

Johannes Quirin: Also es kann man schon mal sehr gespannt sein, da auch so ein Schiedse da auch so ein bisschen darauf, dass mit so einem Konzept vielleicht dann auch ein Stern hier nach Böblingen kommt oder ist das irgendwas, wo du sagst, das ist mir ganz egal, du hast ja einen nachhaltigkeitsgrünen Stern, wie man hier bezeichnet vermischelt hat, hier fürs Reusenstein. Ist es dann ja auch so im Hinterkopf, wenn ich jetzt hier so ein spitzes Konzept entwickle, was es bisher noch nicht gibt, könnte vielleicht auch so ein Macron dann hierher Ja, das ist klar.

Timo Böckle: Das entscheide ja nicht ich. Jemand anderes, aber grundsätzlich, es ist jetzt erstmal nicht der Fokus. Der Fokus ist, ich habe echt Bock drauf. Ich fahre total drauf ab. Ich will das ums Verrecken umsetzen und dann schauen wir mal was dabei herauskommt. Man muss dazu sagen, beim Laffer zum Beispiel hatten wir auch zwei Sterne. Also ich habe auch im Sternebereich schon gekocht, aber das ist schon sehr, sehr lange her und bis jetzt waren andere Dinge wichtig. Wie gesagt, als ich den Betrieb übernommen habe, war es nicht ganz so wie es heute ist. Da war viel Investitionsstau. hat meine Schwester und mich viel Kraft gekostet in letzten 20 Jahren. Ich hatte gar keine Zeit, irgendwie nach Sternen oder sonstigem zu schielen. Ich weiß eigentlich, ob ich das jetzt mit 50 noch brauche. Ich will das jetzt einfach machen. Ich will probieren, wie weit ich in den Bereich gehen kann. Man sieht an den Zahlen hier oben im Restaurant 42 Prozent von allem Fleisch, wir verkaufen ganzjährig. Und Fleisch ist unser Thema. Also es gibt nur ein vegetarisches Gericht, falls jetzt jemand dabei ist, der sich verläuft bei der Omi, ihrem Geburtstag oder so. Aber wir haben jetzt eigentlich keine Vegetarier, die gezielt zu uns kommen, sondern Gäste, die gutes Fleisch mögen. und ja also schauen wir mal wo hingeht

Johannes Quirin: Wie verteilt sich das hier ungefähr so zu Wild und normalem Fleisch?

Timo Böckle: 42 % sind wild. Ganzjährig. ist unser meistverkauftes Gericht. Was früher in so einem normalen, gutbürgerlichen Restaurant wie meinem der Rostbraten war, ist bei mir jetzt inzwischen das Wild oder die Wildvariation. Man sieht, es funktioniert. Auch die allgemeinen Zahlen aus ganz Deutschland zeigen, dass der Wild Genuss bei den Gästen immer größer wird, dass immer mehr Gäste auf Wild abfahren, weil sie einfach sagen, ist ein anständigeres Fleisch.

Johannes Quirin: Ja, spannend auch, wie gesagt, Leidenschaft, das nimmt man dir auch ab für das Thema Wilden, dass du sagst, ich habe jetzt einfach Bock drauf und will das jetzt auch tun. Ich habe ja gesagt, grüner Stern, Nachhaltigkeitsauszeichnung habt ihr gekriegt. Hast du damit gerechnet oder, weil als es eingeführt worden ist, du hast ja schon immer regional gearbeitet, nachhaltig und so weiter, aber hast du damit gerechnet, dass sowas kommt oder warst auch total überraschend und macht dann einen stolz, weil man ja schon von Anfang an eigentlich so gearbeitet hat?

Timo Böckle: Ich habe da überhaupt nicht damit gerechnet, weil wir das schon ewig machen und weil das bei uns normal war. Und ich habe viele Freunde, die auch Sterne haben und auch einen grünen Stern schon bekommen haben, verdient natürlich. Und für mich war das jetzt überhaupt kein Thema. Klar hat man sich gewundert, warum hat jetzt jemand, der das erst seit zwei, drei Jahren macht, einen Nachhaltigkeitsstern und ich arbeite hier seit 20 Jahren mit dem Thema und habe noch keinen, aber im Endeffekt, ja. Also ich bin froh, dass wir ihn bekommen haben. ist nicht nur eine tolle Auszeichnung für mich, ist auch eine tolle Auszeichnung für unsere Mitarbeiter und vor allem für unsere ganzen Lieferanten. Man muss dazusagen, ich habe ja nicht keine Ahnung. Hier kommt jetzt irgendein großer Gastro-Lieferanten mit einem riesen LKW und liefert Spülmittel, Klopapier, Pommes und Rinderrücken ab auf einen Schlag. Wir haben 150 Familien, hier jede Woche anliefern. Mit den ganzen Winzern. Wir kommunizieren auch mit jedem Winzer einzeln und auch den ganzen Gemüsebauern und so weiter. Das ist schon riesiger Aufwand, wenn du überlegst, dass du 150 Leute kontaktieren musst, um mal deinen Grundrauschen ein bisschen in Betrieb zu haben. was Ware angeht. für die ist die Auszeichnung auch da. Also das sind ohne die tollen Produkte, ohne die gute Zusammenarbeit über 20 Jahre jetzt inzwischen, hätte es nicht funktioniert. Hätte ich den grünen Stern wahrscheinlich auch da nie bekommen.

Johannes Quirin: ist das dann so ein besonderes Erlebnis in deiner Karriere gewesen oder gibt es da auch eins wo du sagst das war 1000 mal emotionaler, geiler das Erlebnis seit du jetzt hier selbstständig unterwegs bist.

Timo Böckle: war definitiv ein Highlight, aber ich hatte unglaublich viele großartige Momente. Ich habe auch viel einstecken müssen. Ich habe auch viele Tiefschläge bekommen, aber das war toll. Aber du hast immer wieder so Punkte, wo du sagst, zum Beispiel Thema Spätzle Drive-In. Wir haben hinter unserem Restaurant Spätzle Drive-In. Das ist während Corona entstanden, weil ... uns ist einfach das Geld ausgegangen. Wir haben die Mitarbeiter 100 Prozent weiter bezahlt und irgendwann waren die Rücklagen weg und dann ist der Punkt da, wo meine Schwester und ich zusammensitzen mussten und wir konnten die Mitarbeiter nicht mehr halten. Da habe ich gesagt, ja, aber entlassen tun wir keinen, ich lasse mir was einfallen. Dann habe ich drei Schnellschüsse gemacht, das ist so mein Ding. Also ich habe mir dann drei Sachen überlegt, Spätzle Taxi zum Beispiel und so weiter und der Spätzle Drive, der hat dann sofort eingeschlagen, der ist dann auch viral gegangen in ganz Deutschland und das war dann auf einmal gesetzt. Da haben dann am Ende alle 43 Mitarbeiter am Spätzedrive-In gearbeitet. Auch die aus dem Hotel. Und das war Wahnsinn. das war jetzt nicht nur so blablablupp, sondern das war ein irres Erlebnis, wenn du siehst, in so einer schlimmen Situation, wo es für so Kollegen so schlecht geht und uns auch schlecht ging, dass da dann mit so einer kleinen Idee, und die Leute sind ja durchgedreht, also sind die Nachbarn auf dem Balkon gestanden und haben applaudiert und hier waren Schlangen ums Haus, also ist der Verkehr zusammengebrochen. Kann man sich gar nicht vorstellen. und dann jeder der gefilmt hat und das dann wurde immer schlimmer, immer viraler, viraler, viraler und irgendwann hast du gedacht, also wo bin ich hier gelandet? Also da hatten wir dann irgendwie 700 Autos am ersten Wochenende. Ja verrückt. In Drive-In. Das war schon eine tolle Zeit und so haben wir immer wieder, wenn du was Neues machst und wenn du dann siehst, es ist erfolgreich, dann ist es immer wieder so ein toller Moment und ich hoffe, dass es mit dem Restaurant Wild auch genauso sein wird.

Johannes Quirin: Ja und den Spätzle-Drive-In, den gibt es ja immer noch. Also man kann fleißig immer noch durchfahren und Spätzle in unterschiedlicher Art und Weise glaube ich bestellen.

Timo Böckle: Ja, genau. Der fährt mit dem Auto hin, dann kommt ein Mitarbeiter raus, nimmt dann deine Bestellung auf und bringt dir dann deine Tüte ans Auto. Und nebenan steht der erste spezielle Testautomat, also unser Spätzomat. Den habe ich dann mit einem Automatenhersteller von der Schwäbischen Alb, mit einem guten Freund, ich dann den entwickelt. Einfach mal als Testgerät haben wir den jetzt dann automatgestellt, ein Jahr. Jetzt haben wir mal nachkalkuliert und geschaut und gemacht und getan. Und wir sind so weit, dass der Spätzomat dann in Serie geht. in der Region. Das ist nicht was ich überregional machen kann, aber der Spätzomat geht jetzt in Serie. Das ist jetzt der nächste Schritt, der Zwischenschritt, bevor dann im September das neue Restaurant öffnet.

Johannes Quirin: Also man merkt, du hast immer viele Ideen im Kopf und bist ein Tausendstasser, wie ich ja auch gesagt habe, auf vielen Hochzeiten unterwegs. Wie kriegst du denn das auch alles und dann auch noch Familie und dann Hut? Ist das immer ganz leicht? Oder sorgt das auch vielleicht mal für Spannungen?

Timo Böckle: Also ganz leicht ist es nicht. Und wenn die Familie nicht hinter einem steht, dann funktioniert das nicht. Ich habe eine wahnsinnig tolle Frau, die mich da unterstützt, meine Kinder natürlich. Natürlich geht die Zeit ein bisschen von der Familie weg. Aber man muss auch sagen, ich hatte früher sonntags nicht freie. Jetzt habe ich sonntags freie. Sonntags ist der Familientag, wo wir gemeinsam Dinge unternehmen und wo wir Zeit füreinander haben. Und ja, ich. Natürlich geht es nicht, wenn du keinen Rückhalt aus der Familie aber ich mache alles, was ich mache, mit Herzblut. Meine Familie merkt das auch, meine Frau merkt das, meine Kinder spüren das und wissen, der Papa ist umtriebig, der braucht das. Ich mache das ja auch im Endeffekt nicht nur für mich oder für unseren Betrieb, sondern natürlich auch für meine Frau und die Kinder.

Johannes Quirin: Ist da auch schon irgendwie in Sicht, dann der Nachfolger schon parat steht oder ist das noch dahin? Ich weiß gar nicht wie alt deine Kinder sind.

Timo Böckle: Ja, meine Tochter ist jetzt Feuerherrrichter. Da habe ich von Kollegen gelernt, ich mir solche... Ja, das wäre vielleicht ein Wunsch, aber da darfst du dich nicht irgendwie so drauf versteifen. habe Kollegen, die haben wahnsinnig gut ausgebildete Kinder in der Gastronomie und die dann doch sagen, ich möchte das nicht. Das kommt, wie es kommt. Das ist meine Aufgabe, mein Traum, mein Ding. Und ich habe das von meinem Vater und der von seinem Vater übernommen, aber Die Zeiten sind vorbei. Bei mir gab es Option B, C, was auch immer. gibt es heutzutage. Die viele Optionen. Das ist auch gut so. Und wenn jemand einsteigen möchte, meine Schwester, Tochter, hat jetzt Ausbildung zum Beispiel gemacht als Hotelfachfrau, wenn die einsteigen möchte oder auch andere von unseren Kindern, dann sehr gern. Aber wenn nicht, dann passt das für mich auch. Mir ist nur wichtig, dass sie glücklich sind mit dem, was sie tun. Genauso glücklich wie ich jeden Tag, wenn ich meinen Job machen darf.

Johannes Quirin: Das ist doch gesunde Einstellung, würde ich auch sagen. Weil das ist oftmals so, wenn man dazu schon Druck ausübt, dann geht es oftmals in eine andere Richtung. wenn man da Interesse hegt, dann stehen ja alle Wege auch offen. Wo siehst du denn jetzt, klar September ist jetzt zwar das nächste Ziel, aber wenn du so ein paar Jahre weiter denkst, 10 Jahre weiter denkst, du bist jetzt 50, dann bist du 60, wann ist es denn dann oder wo steht dann alles, was du jetzt hier hast, draußen steigt?

Timo Böckle: Genau.

Johannes Quirin: das Wild.

Timo Böckle: Das ist eine sehr gute Frage. Wenn ich die beantworten könnte, dann müsste ich wahrscheinlich nicht am Herd stehen mehr. man weiß nicht, wo hingeht. ändert sich alles so schnell, so rasant einen rum. Viele Dinge, die jeden Tag passieren, Ereignisse, die uns alle beschäftigen. Ich mache mir da gar keine Gedanken. Und Wunsch? Der Wunsch wäre, dass natürlich ... vielleicht mal die Kinder oder jemand anderes, auch jemand von meinen leitenden Mitarbeitern vielleicht irgendwann das Restaurant hier oben, erfolgreich weiterführt. Das ist ja eine ganz andere... Form in der das jetzt übergeben wird, wie es damals jetzt bei mir war. Das wäre natürlich ein Wunsch, wenn ich dann unten in meiner kleinen Wildküche noch vor mich hin putzen kann so ein bisschen und hier oben, ich möchte hier oben nicht reinfuschen. Wenn tatsächlich jemand kommt, der das übernehmen möchte, dann will ich, dass er das auch eigenverantwortlich dann machen kann. Ich halte das für einen großen Fehler, wenn man sich da noch einmischt und immer der Alte irgendwie die Ecke kommt und sagt, das hätte ich oder das oder wie auch immer. Wenn sie dafür verantwortlich sind, sollen sie das auch machen und ich kann dann da unten meinen Stiefel kochen und die Restlänge Zeit kann ich dann mit 60 oder über 60 dann vielleicht mehr Zeit dann noch im Wald verbringen. wäre so großer Wunsch für mich.

Johannes Quirin: Der Wald ist ja auch schon ein bisschen Ausgleich zum stressigen Job in der Küche. Klar, seid jetzt gut organisiert und du hast ein Team, aber nichtsdestotrotz auch entsprechend Stress angesagt, das so Der Wald dient dann für dich auch immer noch mal bisschen zum runterkommen, weil man sitzt ja nicht die ganze Zeit irgendwie mit Gewehr im Anschlag da.

Timo Böckle: ist ja doch schon ... Nö, da ja viel Geschäft dabei. Also montags zum Beispiel ist mein Waldtag. Montags bin ich eigentlich von morgens bis abends im Wald am Arbeiten und schaue, dass ich mein Revier pflege und alles so gestalte, wie sich das gehört. Ja, die... Natürlich wäre das ein Wunsch, aber schauen wir mal. Manche Leute fragen mich immer, wie machst du das eigentlich? Oder jetzt diese Kreisjägermeisternummer. Warum? Du hast ja genug Geschäft. Du hast erst mal einen längeren Tag wie die meisten anderen. Warum machst du das überhaupt? Ich glaube, es ist wichtig, dass du deinem Herzen folgst. Wenn du merkst, du machst das gerne, und du machst das sehr gern, dann ist es auch kein Problem. Dann ist es auch keine Arbeit. Ich war eigentlich noch nie arbeiten. gerne in meinem Geschäft und ich bin auch jeden Tag gerne in Wald. Und ich habe keine anderen Interessen. Also ich interessiere mich nicht für Fußball oder was auch immer. Es gibt ja viele Leute, die ihre Freizeit streuen. Die haben viel, mehr Freizeit und streuen die dann in alle möglichen Richtungen und sind dann immer gestresst. Das kommt bei mir eigentlich nie vor. Ich habe meine zwei Punkte. Wald und Küche und dann der Rest ist Freizeit.

Johannes Quirin: Und das macht dich ja auch scheinbar glücklich, so wie ich erlebe. Und das freut mich. Herzlichen Dank, lieber Timo, für diesen Einblick zwischen Küche und Wald. Und wir können gespannt sein, was das Konzept im September Wild hier in Böblingen dann auch mit den Gästen macht und letzten Endes vielleicht den ein oder anderen auch mal zum Wild bringt.

Timo Böckle: Danke schön.

Johannes Quirin: Sehr schön.