Der Genusstalk mit Johannes Quirin

Transkript

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Johannes Quirin: Herzlich willkommen beim Genuss Talk. Eine neue Folge, ein neuer Gast. Heute spreche ich mit Christian Fiet, Gründer und Geschäftsführer der Plattform Hof sucht Bauer. Seit über 15 Jahren setzt er sich dafür ein, dass landwirtschaftliche Betriebe auch ohne familiäre Nachfolge erhalten bleiben und bringt somit Hofbesitzer und Hofbesitzerinnen und Hofsuchende in ganz Deutschland zusammen. Wir erfahren, warum außerfamiliäre Hofübergaben oft schwierig sind. wie die Plattform funktioniert und was es braucht, damit junge Menschen wieder Lust auf Landwirtschaft bekommen. Hi Christian, ich bin ganz gespannt, was du uns heute erzählst.

Christian: Ja, hi, guten Morgen, Johannes. Ich freue mich auch, dir darüber berichten zu können, was wir so veranstalten.

Johannes Quirin: Ja, Christian, das ist natürlich irgendwie eine spannende Idee. Hof sucht Bauer. Wie bist du denn überhaupt darauf gekommen? Was war damals deine Motivation? Hast du da selbst irgendwie so etwas erlebt oder was war quasi der der dich dazu gebracht hat, eben Hof sucht Bauer zu gründen?

Christian: Ja, wie so bei vielen Gründern spielen natürlich biografische Aspekte da mit rein. Ich bin am Rhein groß geworden. Sohn von sogenannten Moonscheinwinzern, wie man das nennt. Also Winzer, quasi nach Feierabend ihres offiziellen Berufes im Weinberg unterwegs waren. Und da wo ich herkomme, da gibt es steile Weinlagen. Ich war also früh damit konfrontiert, sozusagen mit der Landwirtschaft. Hab mich aber weniger für den Weinbau interessiert, weil ich da nicht viel ausrichten konnte als kleiner Bub. Aber beim Nachbarn konnte ich Traktor fahren und Kühe melken. Das hab ich von klein auf gemacht. Mein Berufswunsch war, Anfang an Landwirt zu werden. Seit ich vier war, da gibt's noch so ein Bierdeckel, wo drauf steht, hier rund der Bauer Christian von so einem Pappdeckelhaus. dass ich mir gezimmert hatte. Und meine Eltern haben dann aber erst mal zu mir gesagt, als ich den irgendwie eröffnet hatte, 10 Jahre Schule reichen, ich werde jetzt Landwirt, ich solle doch erst mal was Vernünftiges lernen. Das haben die nicht gemacht, weil sie die Landwirtschaft sozusagen abwerten wollen, sondern weil sie gesehen haben, dass im Dorf alle aufhören und ich will ausgerechnet wo einsteigen, wo offensichtlich keine Zukunft ist. Ich habe eine kaufmännische Ausbildung gemacht. Die Landwirtschaft hat mich aber nie losgelassen. bin wirklich auch während der Schulzeit und danach immer wieder zum Nachbarn, da geholfen und wurde dann quasi zum Zivildienst gerufen. Und das war mein großes Glück, denn sonst wäre ich vermutlich in meinem kaufmännischen Beruf irgendwie versagt. Und während meinem Zivildienst habe ich Landwirtschaft noch mal ganz neu kennengelernt. Ich war in so einer kleinen heilpädagogischen Einrichtung in Oberbayern und habe dort mit Betreuten zusammengearbeitet. Habe nach dem Zivildienst dann noch mit Managern zusammengearbeitet, die quasi auf einen landwirtschaftlichen Betrieb gekommen sind, sich wieder neu zu konstituieren. Das ist jetzt 25 Jahre her wahrscheinlich. hätte man damals schon gesagt, die machen jetzt sozusagen eine Therapie für ihren Burnout. Damals gab es den Begriff Burnout in der Form noch nicht. Und mir war klar, ich muss in die Landwirtschaft. Das ist auf jeden Fall das, was Sinn macht, das, was mir Spaß macht. Dann habe ich noch Landwirtschaft studiert, erst in Weinstephan. Und dann habe ich gewechselt nach Witzenhausen zum Fachbereich Ökologischer Agrarwissenschaften. Und da gab es dann Glücklicherweise zum ersten Mal eine Lehrveranstaltung, die hieß Neugründung landwirtschaftlicher Betriebe. Da saßen 50 Studenten, die kamen alle nicht vom Hof und wollten alle Landwirt werden und wussten aber nicht, wie es geht. Und vorne standen drei Professoren, die gesagt haben, wir haben auch keine Ahnung, wie es gehen soll, weil die kannten ja auch die Rahmenbedingungen. Aber wir laden uns eben Leute ein, die das schon mal gemacht haben. Oder wir laden uns Banker ein und fragen die, was die dazu sagen oder Leute vom Landwirtschaftsamt. So ist es dann quasi gekommen. Und das wurde eine richtig gute Lehrveranstaltung, die ich dann ab dem zweiten Jahr, weil zwei Professoren in Rente gegangen sind, dann selber übernommen habe. Ich war dann quasi selber noch Student, aber habe eine Lehrveranstaltung gehabt. Und habe das auch über 15 Jahre gemacht. Und ich habe während meiner ersten Lehrveranstaltung mich dummerweise mit der Frage beschäftigt, ist das ein Thema, was nur in Witzenhausen existiert? Also sind wir eine Insel? Oder gibt es da auch in der Bundesrepublik noch andere Standorte, wo das ein relevantes Thema ist? Und dann habe ich eine Umfrage konzipiert, einen Fragebogen gemacht und durch die Republik geschickt. Und irgendwann rief mein Professor an und fragte, ob ich nicht mal so langsam zu ihm ins Büro will, weil hier würde sich massig Post anhäufen. Und das waren Fragebögen, die zurück kamen, über 3000 Stück. Und da... kam heraus, dass viele junge Leute in die Landwirtschaft einsteigen wollen, auch an anderen Agrarstandorten, ohne dass vom Hof kommen. Das war ein wichtiges Signal. Zeitgleich lief auch noch ein Forschungsprojekt, das hieß Förderung von Existenzgründungen der Landwirtschaft. Da durfte ich auch mitarbeiten. Das hatte dann als Ergebnis, dass eine Existenzgründung der Landwirtschaft möglich ist, dass junge Leute vor allem den Informationen brauchen, dass sie Beratung brauchen ohne Hofbörse. Und die Ergebnisse sind dann aber wie bei so vielen Forschungsprojekten in der Schublade verschwunden. Nicht weil es nicht sinnvoll war, weil die Politik gewechselt hat von Rot-Grün auf damals, ich weiß nicht, Schwarz-Gelb. Das war 2005. Und da gab es halt ein anderes Paradigma. Die haben halt gesagt, wir brauchen keine Neugründer. Das sagen die bis heute noch. sondern wir müssen sozusagen, Agrarstrukturwandel ist gut, wachse oder weiche. Ich hab mich so geärgert, dass die Politik das nicht wahrnimmt, wenn es so einen großen Anzahl an jungen Menschen gibt, die in die Landwirtschaft einsteigen wollen, dass ich gesagt hab, wenn die Politik nix macht, dann mach ich halt selber was. Bin dann 2008 mit Unterstützung der Zukunftsstiftung Landwirtschaft mit diesem Portal, damals hieß noch Hofgründer.de, gestartet. Hatte ein Jahr Vorbereitung, hab das dann quasi programmiert, die Inhalte erstellt und dann sind wir an Start gegangen. Und dann kam auch ruckzuck die ersten Kommilitonen und die ersten Bauern, die Hilfe brauchten und ich hatte vier Wochen Erfahrungsvorsprung und bin dann quasi in die Beratung reingerutscht und hatte dann Glück, mich dann Vollzeit mit dieser Sache beschäftigen zu dürfen, weil ich dort als Ashoka Fellow ausgezeichnet wurde und die ermöglichen dann quasi eine kleine Idee mit einer großen gesellschaftlichen Relevanz sozusagen weiter auszubreiten. das mache ich bis heute.

Johannes Quirin: Das war also der Startschuss. Das hat mir auch im Endeffekt schon mal die ein oder andere Frage gespart, die ich sowieso gestellt hätte, ob du tatsächlich auch landwirtschaftlichen Hintergrund hast. Es hätte auch sein können, dass du da einfach aus der BWL heraus irgendwie gesehen hast, ist Not am Mann oder Not an der Plattform im Endeffekt. Und hast dann etwas gegründet, aber so. Habe ich es besser verstanden, wie du da reingewachsen bist, wo du herkommst und wieso, weshalb, warum dann tatsächlich Hof sucht Bauer mittlerweile, so heißt ja die Plattform, entsprechend das Licht der Welt erblickt hat. Jetzt kennen wir natürlich, viele kennen, sagen wir so nicht alle, aber viele kennen natürlich Tinder, Bumble und Co. Funktioniert etwa Hof sucht Bauer genauso, dass ich mich da... Einfach ein bisschen durchswiper und dann das passende Match finde oder wie funktioniert so eine Vermittlung?

Christian: Das ist eine ganz spannende Frage. ich habe mich 2012 mit einem der Gründer von eDarling getroffen und habe den mal gefragt, wie funktioniert eigentlich bei euch sozusagen dieser Matchmaking Prozess. Und dann hat er mir erklärt, dass sie da eine Abteilung haben aus 30 Menschen, Programmierern, die Algorithmen sozusagen herstellen. ⁓ diese perfekten Matches zu schaffen. mir war dann schon klar, okay, das ist eine Nummer zu groß. Das schaffen wir nicht. Aber er hat mir ein Geheimnis verraten. Er hat gesagt, wir führen nie perfekte Matches zusammen, sondern wir gucken immer, dass so ein bisschen Salz in der Suppe ist, damit es auch Geschmack entsteht. Und das habe ich mir gemerkt, nämlich dass wir nicht optimal sozusagen zwei Seiten zusammenbringen können. und wir auch nicht in Anführungszeichen Gott spielen können. Also wir haben eine Hofbörse und in dieser Hofbörse tummeln sich Landwirte und Landwirtinnen und junge Menschen, die eben gerne in die Landwirtschaft einsteigen wollen. Und die können gegenseitig sozusagen die Listen durchdöbern, die Listen von Hofangeboten, die Liste von Hof gesuchen und schauen, was interessiert mich. Ich halte es für ohne sozusagen aufwändige technische Begleitung nicht möglich, dass wir jetzt sagen, okay, da ist der Hans Mayer, der in Betrieb hat und der Flori, der wollte und das könnte schon zusammenpassen, weil da kommen einfach so viele Faktoren ins Spiel, dass wir das gar nicht können, da Empfehlungen auszusprechen. Und auch ein wichtiges Learning von uns. Wir haben ganz viele Menschen kennengelernt, die wollten beispielsweise an die Ostsee, Kühe zu melken. und sind dann im Schwarzwald gelandet und machen Mutterkurhaltung und sind total zufrieden. Also das heißt, am Anfang gibt es relativ konkrete Vorstellungen, auch auf Seiten derjenigen, einen Hof haben, wie muss unser Nachfolger aussuchen? Und dann kriegen sie auf einmal komplett andere. Also ich erinnere mich noch an ein Beispiel, das ist so einer meiner besten Referenten gewesen, die ich in Hofübergabeseminaren hatte. Das war der Siegfried Kuhlendahl, das war ein Bioland-Urgestein. Und der ist mit 65 Jahren, hat er angefangen, Nachfolger zu suchen. Und er hat es immer sehr eindrucksvoll geschildert. Ja, meine Frau und ich, wir hatten keine Kinder. Und mit 65 haben wir dann angefangen und wir hatten so viele Lehrlinge und Praktikanten und dachten, da kommt schon einer. Und sie hatten relativ klare Vorstellungen darüber, wie das sein soll. Aus geordneten Verhältnissen, verheiratet, katholisch, Kinder und und sowas. Sie haben niemanden gefunden. Sie haben verrückte Sachen gemacht. Sie Handschriftenanalysen von Bewerbungen gemacht. Dann hat die alte Bäuerin selber ihre Handschrift an die Grafologin geschickt. Sie hat gesagt, passen Sie vor dieser Frau auf. Dann haben sie festgestellt, vielleicht doch nicht so sinnvoll. Die haben dann 15 Jahre gebraucht und genau die eingestellt, die sie nie gesucht haben. Sie sind total glücklich geworden. Sie waren unverheiratet.

Johannes Quirin: Das

Christian: und hatten kein Kind, dann wurde das erste Kind geboren. Siegfried und Maria, so hießen die beiden Bauern, die mittlerweile verstorben sind, haben sich gefreut, dass sie quasi ihr erstes Enkelkind in den Armen halten konnten. Auch wenn es sozusagen nicht das eigene Fleisch und Blut war. Aber das hat eben ganz viel ausgelöst. Und der Hof wurde gerettet.

Johannes Quirin: Ja, ja, genau, das ist letzten Endes ja das Ziel. Aber es gibt dann scheinbar schon so Vorurteile oder auch Ängsten nicht nur auf der Seite der Hofbesitzer, sondern sehr wahrscheinlich auch auf der anderen Seite der Hofsuchenden. Und da ist ja wahrscheinlich auch sehr viel Kommunikation, Fingerspitzengefühl gefragt, wo man dann vielleicht auch von eurer Seite aus dann vermitteln muss, so ein bisschen den Diplomat spielen und zu schauen, OK, wie kriegt man denn da tatsächlich eben potenzielle Matches mit Menschen zusammen, die noch gar nicht gewusst haben, dass das eben ihr Match ist und sie dann vielleicht auch später glücklich werden. Was sind denn da die wichtigsten Kriterien, damit eine Hofübergabe eben auch zwischen zwei völlig Fremden wirklich gelingt? Hat sich das mittlerweile auch so bisschen herauskristallisiert? Ich glaube ja, dass das Zwischenmenschliche immer noch auch ein hoher Faktor ist.

Christian: Also das Zwischenmenschliche ist das A und O. Bei allem, was man jetzt irgendwie so Papierlage nennen würde, spielt das Bauchgefühl die wichtigste Rolle. Und ich versuche sowohl den Bäuerinnen und Bauern als auch den Jungen immer wieder zu sagen, hört auf euren Bauch und schaut, dass ihr da eine gute Entscheidung trifft. Natürlich, also ein Bauer hat mal auf ein Seminar gesagt, der hatte auch seinen Nachfolger kennengelernt, der hat gesagt, das war toll. Also wir hatten eine ganze Reihe von Bewerbern und dann kamen auf einmal welche und das war wie so ein Schock für mich und meine Frau. Wir waren verliebt in die. Und genau das ist es. Ja, darauf kommt es an. Natürlich. Und das ist auch eine total wichtige Sache. Wir sagen immer, wir sind sozusagen Wir stellen eine Plattform zur Verfügung von Profis für Profis. Das heißt, wir erwarten schon, wenn jemand sagt, er will jetzt einen landwirtschaftlichen Betrieb übernehmen, dass er nicht bis gestern Journalist war und heute auf einmal Landwirt werden will. Landwirtschaft oder Landwirt ist einer der komplexesten Berufe, die es gibt. Und man bekommt das ja hin und wieder mal mit, warum Bauern protestieren gehen. Also man ist wahnsinnig mit dem Büro beschäftigt. Man muss viel wissen über Technik, muss viel wissen über Pflanzenbau, wenn man Tiere hat, viel über Tierhaltung und man muss betriebswirtschaftlich einfach gut aufgestellt sein und das kann man halt nicht, wenn man den Beruf nicht irgendwie erlernt hat, sei es durch ein Studium, durch eine Lehre, durch ein Meister oder ähnliches. Aber dennoch und davor habe ich auch immer Respekt, wir werden manchmal eines Besseren belehrt. Dann treffen wir auf einmal auf einen, der war Journalist und hat dann auf einmal einen riesigen Hühnerbetrieb aufgebaut und war trotzdem sehr erfolgreich, weil er einfach gut managen konnte. Und das andere hat er sich so beigebracht. Aber in der Regel ist es schon so, dass den Landwirten wichtig ist, dass es Menschen sind, die wissen, von was sie reden. Weil wir werden da jetzt möglicherweise noch drauf zu sprechen kommen. Wir haben ja auch ein Besonderheiten bei einer landwirtschaftlichen Hofübergabe im Vergleich zu einer Betriebsnachfolge in gewerblichen Bereichen, die eben sehr viel Vertrauen erfordern. Deswegen ist es da wichtig. Bauchgefühl muss stimmen. Aber du musst auch wissen, was du machst. Der Moritz Schäfer, ein landwirtschaftlicher Existenzgründer, hat mal gesagt...

Johannes Quirin: Ja Es ist nicht nur eben das Bauchgefühl sondern das Spiel natürlich auch sehr wahrscheinlich rechtliche und finanzielle Fragen gerade bei so einer außerfamiliären Hofübergabe eine große Rolle

Christian: Jaja, auf jeden Fall. Und da hast du eingangs formuliert, was, also ich weiß jetzt nicht mehr genau den Wortlaut, aber es klang so als seien außerfamiliäre Hofübergaben anspruchsvoll. Ich würde sagen, im Gegenteil, sie sind sogar leichter als innerfamiliäre Nachfolgen, weil bei einer außerfamiliären Hofnachfolge kann man sich die Nachfolge aussuchen. Und bei der innerfamiliären Nachfolge musste den Sohn oder die Tochter nehmen, die du hast. Das macht es manchmal schwierig, weil in der Beziehung zu seinen Eltern der Rucksack seit Geburt immer ordentlich gepackt wurde. Dann sollst du selbstständig loslaufen. Das kann jeder nachvollziehen. Jeder kann sich fragen, wie man sich mit den Die nächste Frage ob man mit Papa und Mama ein Geschäft aufbauen Auf keinen Fall. In der Landwirtschaft ist das so. Die sind zusammen an einem Ort. müssen sich verstehen, müssen Sachen aushalten. das macht es halt so spannend auch in der inner- außerfamiliären Hofnachfolge. Und wir haben da schon die tollsten Storys gehört, mit welcher Kreativität man dann auch da irgendwelche Leiden ertragen oder lösen kann.

Johannes Quirin: Es ist sicherlich ja da auch eine Veränderung halt, über die Jahre zu sehen. Früher hat man, wie du gerade auch gesagt hast, immer irgendwie innerfamiliehr übergeben können, ja. Letzten Endes hat sich das natürlich einerseits auch dadurch verändert, dass vielleicht viele gar keinen Nachwuchs haben. Das hat man dann früher vielleicht auch noch mal, wenn der Vater gestorben, wenn der Mann gestorben ist, hat oftmals vielleicht ... Die Frau sogar noch den Schwager geheiratet, der dann eben auch nicht verheiratet war, damit der Hof in der Familie bleibt. Und heute besteht oftmals ja gar nicht mehr die Möglichkeit, eben innerfamilieher zu übergeben. Beziehungsweise viele Kinder sagen auch, nee, nee, nee, ich mach was komplett anderes. Entweder weil sie sagen, ich will jetzt nicht hier mit meinen Eltern zusammenarbeiten. Oder weil sie es halt erlebt haben in der Kindheit, was es bedeutet, hart zu arbeiten. und sie sich dann halt für was ganz anderes entschieden haben. Was müsste sich denn da auch politisch und gesellschaftlich verändern, damit sowohl mehr Höfe erhalten bleiben, aber auch, dass junge Menschen wieder mehr sagen, ja, ich will in die Landwirtschaft einsteigen. Es klang zwar eben so, als ob es da genügend Menschen gibt, aber andererseits hat man ja auch den Eindruck, dass da irgendwo auch ein Knackpunkt sitzt.

Christian: Ja, ich fange nochmal, ich pulle nochmal ein kleines Stück zurück. Also wir haben das ja systematisch untersucht, warum Menschen keinen Nachfolger haben. Also alle 30 Jahre findet, nee nicht alle 30 Jahre, alle 10 Jahre findet eine sogenannte Agrarstrukturerhebung statt. Da wird gepuckt, was macht die Landwirtschaft und seit 1990 haben wir da immer die gleichen Ergebnisse mit ein paar Varianzen. 30 Prozent haben eine gesicherte Rufnachfolge und 70 Prozent keine oder eine ungesicherte. Und das liegt daran, dass es heute kein Schicksal mehr ist, Erstgeborener eines Landwirts zu sein, sondern dass Gott sei Dank heute Kinder frei darüber entscheiden können, was will ich machen. Also der Sohn von Vielmann ist tatsächlich jetzt sozusagen der Chef des Unternehmens geworden. Aber nur weil du Sohn vom Rechtsanwalt bist, musst du ja nicht selber Rechtsanwalt werden. Also freie Berufswahl. das ist auch so. Also das haben wir in der Untersuchung rausbekommen. 50 Prozent der Kinder sagen, wir haben uns für einen anderen Beruf entschieden. Also nicht gegen die Landwirtschaft, sondern einfach für einen anderen Beruf. Dann sagt noch ungefähr 20 Prozent, wir haben gar keine Kinder. Und dann haben wir quasi schon fast drei Viertel Prozent, 75 Prozent voll. Und nur ein geringer Anteil sagt, wir können unseren Betrieb nicht weiterführen, weil er keine wirtschaftliche Perspektive hat. Das wird aber sozusagen immer vom Bauernverband propagiert oder auch von der Politik. Das lohnt sich nicht. Es ist tatsächlich so, dass da immer noch eine falsche Vorstellung herrscht. Und keiner schließt gerne die Tür. Die Politik könnte da relativ viele Dinge anstoßen. Die könnten in allen Bundesländern eine Existenzgründungsförderung unterstützen. Da gibt es jetzt drei oder vier Bundesländer. die sowas angestoßen haben, die Beratungskosten stärker fördern, könnten Hofbörsen stärker unterstützen. Also wir könnten auch viel, viel wirksamer sein. Aber als kleine, gemein, wohlorientierte Unternehmung haben wir da halt einfach auch unsere Grenzen. Es könnte noch mal stärker auf die Bodenpolitik geschaut werden. Im Moment schmieren da Existenzgründer regelmäßig ab. haben da quasi totale Schwierigkeiten überhaupt an Land zu kommen. Und vor allem bräuchte es aber auch mal ein klares Bekenntnis vom Bauernverband und vom Landfrauenverband, die sich einfach da mal hinstellen und sagen, hey, wir freuen uns, wenn wir landwirtschaftliche Betriebe erhalten und wir freuen uns über jeden neuen Kollegen, der einsteigt. Die Franzosen sagen, wir wollen Nachbarn statt Hektare. Und das muss, glaube ich, viel stärker herausgearbeitet werden und auch noch mal die Bedeutung. die die Landwirtschaft für die ländlichen Regionen hat. Das wird immer so reduziert auf Produktionsfaktoren. Also wie viel Milch wird produziert, wie viel Weizen wird produziert. Aber Landwirtschaft hat halt ganz viele externe Effekte. Und dazu gibt es auch eine Studie aus Bayern, die heißt Externe Effekte bäuerlicher Landwirtschaft. Und da steht drin, dass dort, wo bäuerlich Landwirtschaft ist, Zufriedenheit der Menschen ist, dass dort mehr Nettowertschöpfung stattfindet, dass dort mehr Kinder leben. dass dort weniger Kriminalität ist. Also ganz viele positive Dinge, die durch Landwirtschaft ausgelöst werden. Und auch gerade noch mal im Moment wird das Thema Biodiversität so durch die Lande getragen. Viele landwirtschaftliche Betriebe können viel mehr Biodiversitätsleistungen anbieten als nur wenige. Und dazu müssen wir, glaube ich, hinkommen. Und ich saß auch schon mal in einer Runde mit 16 Zentraleinkäufern von einem Lebensmittel. Da war so der Tenor, uns ist es egal, ob jetzt die Milch von einem Bauer kommt oder von zehn Bauern, Hauptsache die gleiche Milchmenge. Und da hat dann Gott sei Dank der Chef von den 16 gesagt, ich sehe das aber anders, ich möchte möglichst viele Betriebe erhalten. Und das ist, glaube ich, den Ansatz, den wir brauchen, aber die Politik leider noch nicht verstanden hat. Und wenn man jetzt in aktuellen Koalitionsvertrag schaut, dann ist da auch wenig von zu finden. Und es gibt immer wieder so Lippenbekenntnisse, ja, wir müssen Junglandwirte unterstützen und Hofnachfolge, aber es passiert einfach nichts. Und das ist total frustrierend.

Johannes Quirin: Ja, das ist das eine ist dann die Politik auf der anderen Seite natürlich auch gesellschaftlich muss ich da bisschen denke ich auch was verändern wie sieht es denn bei den Landwirten aus? Wie reagieren die denn auf euer Angebot sagen die ja das ist genau das was wir jetzt benötigen oder gibt es da auch viel Skepsis und man muss da immer noch dicke Bretter bohren?

Christian: Also die Landwirte, die sich an uns wenden, natürlich sehr positiv dem Gegenüber aufgestellt, weil sie natürlich ein Interesse haben, dass ihr Betrieb weitergeht. hören aber auch oft von Landwirten, die ihren Betrieb dann aufgegeben haben, hätte ich das mal früher gewusst, dass es so was wie euch gibt. Also ich möchte das gar nicht verhehlen. Es gibt schon auch irgendwie immer wieder Strömungen. Die versuchen solche Initiativen, wie wir die haben, klein zu halten. Das ist so. Aber es gelingt mir immer besser, das Thema zu platzieren. Das sich in den letzten 15 Jahren noch mal deutlich verändert. Ich bin aktuell auch dabei, da noch mal wesentlich mehr zu trommeln. Dass das einfach total wichtig ist. Und die Landwirte selbst ... Die sind ihr dankbar. Also, die melden sich. es ist wirklich ein erhabener Moment, wenn dann wir nach drei oder fünf Jahren so einen Prozess abschließen, die Bäuerin dann mit der Säckflasche kommt und wir alle anstoßen, dass das geklappt hat. Da sind alle froh drüber. Und das ist vielleicht auch noch mal ein wichtiger Hinweis darauf, wie wichtig den Bauern das ist, auch in Bezug auf, wie gestalte ich das sozusagen rechtlich. Weil die meisten meinen ja, das habe ich letzte Woche erst wieder gelesen, da ging es darum, wenn so landwirtschaftlicher Betrieb außerfamilieher übergeben wird, dann pachten ja junge Menschen den Betrieb. Nee, gar nicht. Die pachten den in den seltensten Fällen. Die werden Eigentümer von dem Betrieb. Das werden die nicht, weil sie den Betrieb kaufen, sondern weil sie den Betrieb geschenkt bekommen. Ich formuliere jetzt bewusst geschenkt. Nämlich der Betrieb wird übergeben wie innerhalb der Familie. Das ist eine gemischte Schenkung oder eine Schenkung unter Auflagen. Die Bauern bleiben dort wohnen. Die Bauern bekommen einen alten Teil. Denen wird geholfen, wenn sie älter werden. Und dafür bekommt dann der Nachfolger diesen Betrieb. Also das ist sozusagen eine klassische Nachfolge wie innerhalb der Familie. Und das wird halt auch außerhalb der Familie gemacht. Und da sieht man mal wie viel Wertschätzung daran hängt, wenn da ein Betrieb, der vielleicht 4 Millionen Euro wert ist, auf einmal übergeben wird gegen einen alten Teil und monatlich, ich sag jetzt mal, 1.500 oder 2.000 Euro Alten-Teilsleistung. Da gibt es auch einen ganz interessanten Artikel in Brand 1. Heiner verschenkt seinen Hof. Also, man unbedingt mal lesen. Ein Interview mit Heiner Schrobsdorf, der seinen Hof quasi gegen niedrigste sozusagen Auflagen an Nachfolger übergeben hat, weil es ihm halt so wichtig war. Oder auch ein Beispiel von der Familienmerkenschlager, wenn man das googelt aus Tal Messing, aus Feinschluck, so heißt der Ort, die auch, es total wichtig war, dass es weitergeht mit dem Betrieb. Und ich kann das total verstehen, dass keiner irgendwie Lust hat, als Letzter im Stall das Licht auszumachen und die letzte Kuh auf den Hänger vom Viehhändler zu treiben.

Johannes Quirin: Ja, also da hört man ja auch, dass da wie gesagt sehr viel Bauchgefühl, sehr viel, ja, sehr viel Emotionalität, aber auch eben ein gutes Gefühl mitspielen muss, damit ich da tatsächlich dann eben auch A, diesen Hof übergebe und natürlich auch damit rechne, dass der in meinem Sinne oder sogar noch besser weitergeführt wird. weil ich ja davon dann auch noch weiterhin leben soll. Deswegen dauert auch ein Prozess sicherlich im Durchschnitt ziemlich lange. hast eben gerade gesagt, so drei, vier Jahre ist das dann so der Durchschnitt bis dann so ein Prozess, der Übergabe abgeschlossen ist oder geht das manchmal auch schneller.

Christian: Naja, also wir sagen so grundsätzlich den Bauern, sollen sich mit Anfang 50 mal Gedanken machen, wie es weitergeht. Weil mit Anfang 50 fängt es mehr an zu zwicken. Es sind vielleicht Investitionsentscheidungen zu treffen. Und wenn Bauern investieren, dann ist es meist in Gebäude und also neben der ganzen Technik. da dauert es natürlich auch entsprechend lang, bis sowas dann refinanziert ist. Und da müssen die überlegen, mache ich nochmal was oder mache ich es nicht? Und wenn die dann mit Ende 50, Anfang 60 kommen, okay, wir wollen jetzt, dann ist das einfach ein guter Zeitpunkt. Weil wir müssen ja erst mal alle einsammeln. Also das beginnt damit, dass der Bauer anruft oder die Bäuerin. Dann machen wir einen Erstberatungstermin auf dem Betrieb. Dann muss die Familie mit einbezogen werden. Weil man kann natürlich seinen Betrieb auch ohne das Einverständnis der Kinder übergeben. Aber möglicherweise ist das für den Familienfrieden dann nicht besonders sinnvoll. Bis dann das Inserat veröffentlicht wird, kann dann schon mal wieder ein halbes Jahr bis ein Jahr vergehen. Dann kann es sein, dass dann dauert dieser Prozess, bis die dann den richtigen gefunden haben. Dann kann es sein, dass man ein Jahr mit jemanden zusammenarbeitet und merkt, das passt doch nicht. Das heißt, so eine Wiederholungsschleife sollte berücksichtigt werden. Und wenn man das jetzt alles sozusagen mal bisschen addiert, dann kommt man ruckzuck auf diese drei, vier, fünf Jahre. Das kann auch schneller gehen. Unser schnellster Übergabe war in drei Monaten. Das würde ich nie mehr machen. Das war die Hölle für alle Beteiligten. Weil halt so ein großer Druck war. Und es gibt aber auch einen Betrieb, der ist seit Anfang an bei uns sozusagen mit dabei. Und der hat einfach keine Lust, Nachfolger zu finden, habe ich den Eindruck. Ich sage ihm immer, er kann so weitermachen. ist eine dauerhafte Finanzierungsquelle für mich. Aber es macht halt auch wirklich keine Freude mehr. Und ja, also ... Wenn man sozusagen zu 100 % entschieden ist, es zu machen, dann geht das und dann schaffen wir das auch gut und strukturiert. Und ich sag mal, das muss keine fünf Jahre dauern, das geht auch in drei Jahren. Aber ein bisschen Zeit, dass da alle mitkommen, das ist schon wichtig. Und es ist, wie gesagt, kein klassisches ⁓ &A. Wir werden ja manchmal auch gefragt, ihr seid quasi so eine Art Immobilienmakler. Und dann sage ich, nee, ganz im Gegenteil. Ein Immobilienmakler, hat ein Gebäude ohne Menschen und sucht einen Käufer. Und wir haben Menschen, die haben noch Gebäude zufällig und suchen jetzt Menschen. bei uns gibt es keine Maklerprovision oder so was. Wir haben einen relativ überschaubaren Preis für einen Inserat. Und wir haben auch überschaubare Preise für Beratungskosten. es Für uns ist wichtiger, dass da gute Lösungen entstehen und nicht, dass wir irgendwie 7,49 Prozent Maklerprovision kassieren, weil das geht nicht. Das wäre so was wie Kopfgeld. von daher. Genau.

Johannes Quirin: Ja, also ihr unterstützt die Beteiligten im Endeffekt ja auch über diese reine Vermittlung hinaus mit Beratung, mit Seminaren, mit Coaching, wenn man das auch sagt, aus der Erfahrung heraus, aus der Erfahrung von vielen erfolgreichen Vermittlungen, aber natürlich auch aus deiner Erfahrung heraus, die du dann in deiner Ausbildung etc. auch gemacht hast. von daher kriegen sie natürlich da auch ein bisschen mehr als jetzt einfach nur

Christian: Hm. Hm.

Johannes Quirin: eine Vermittlung. Ich denke, gerade, junge Menschen so einen Hof übernehmen, klar, die eigentlichen Besitzer sind ja immer noch da. Vielleicht arbeiten sie auch noch ein bisschen mit, vielleicht stehen sie auch mit Rat und Tat zur Seite. Aber es ist ja auch immer ganz wichtig, denke ich mal, dass man da vielleicht auch immer noch so neutralen Ansprechpartner hat, dem man dann auch vertrauen kann.

Christian: Ja, unbedingt. Und da ist natürlich bei allen Seiten auch eine große Unsicherheit vorhanden. Also neulich hat mich auch eine Übergeberin gefragt. Na Herr Fied, jetzt kommen die demnächst zu uns und was darf ich die denn alles fragen? Und dann habe ich gesagt Frau Sonso, Sie sind jetzt 64 Jahre alt, Sie haben vier Kinder großgezogen. Ich glaube, Sie wissen selbst, was Sie die fragen dürfen. Seien Sie einfach so, wie Sie immer sind, weil darum geht es. Aber es zeigt Also da ist eine Unsicherheit und die freuen sich natürlich, wenn sie auch nochmal irgendwie ein Feedback bekommen. Oder wir telefonieren dann mit denen, wenn sie sich getroffen haben, ⁓ zu schauen, wie war es, werten das auch nochmal aus. Und typischerweise läuft dann so ein Prozess, dass wir dann, wenn die sich entschieden haben und Leute gefunden haben, dann sozusagen wieder mit in den Prozess reinsteigen. Vorher halten wir uns raus. Weil wir sagen, das müssen die erst mal untereinander klären. Eine Beratung würde dann nur unnötige Intervention bringen. Aber irgendwann kommt auch der Zeitpunkt, wo wir wieder alle zusammen an einem Tisch sitzen und schauen, wie geht es euch, was wird tatsächlich gebraucht. Manchmal kommt dann auch bei so Gesprächen raus, dass die ein Jahr aneinander vorbeigeredet haben. Das ist dann möglicherweise das Ende erst mal dieses Prozesses. Aber besser das Frühgeklärt als sozusagen ewig mit einer Lösung leben, die keiner wollte. ich kann immer wieder nur betonen, und das sage ich gar nicht aus Eigeninteresse, sondern weil es wichtig ist, nimmt Beratung in Anspruch, also zu den Landwirten, und nimmt auch Beratung in Anspruch von Menschen, die mit dem Thema außerfamiliärer Rufnachfolge tatsächlich ... professionell unterwegs sind. Grad hat wieder eine Bäuerin angerufen, die saß mal bei uns im Seminar. Und die meinte dann irgendwie, ach, wir kennen da ja einen Rechtsanwalt vor Ort. das ist jetzt ganz furchtbar in die Hose gegangen. Also, Worst-Case-Szenario. Sie müssen ihren eigenen Betrieb verlassen. Die Übergeber. Und das darf eben nicht passieren. Bei allem, was wichtig ist, man muss sich da auch immer wieder noch in die Augen schauen können. Und klar, es gibt auch schwierige Phasen. Das gibt es aber auch innerhalb der Familie. Das muss man dann auch aushalten. Und noch mal dieses Beispiel von Siegfried Kuhlendahl, den ich da am Anfang zitiert habe, der mit 65 angefangen hat, mit 80 übergeben hat. Vier Wochen nachdem er übergeben hatte, hatten wir wieder zusammen ein Hofübergabeseminar. Und dann sagt er abends zu mir beim Glas Rotwein, ach, Christian, weißt du, was mein Nachfolger heute wieder gesagt hat? Also, wenn er das ... vor vier Wochen gesagt hätte, ich hätte ihm den Hof nicht übergeben. dann habe ich gesagt, weißt du was Siegfried, Glückwunsch, dass du ihn übergeben hast. Und jetzt kann es dir ja mal gerade egal sein. ich glaube, der macht das schon ganz gut und richtig. Und das war vor 15 Jahren und der Nachfolger macht das heute noch gut und richtig. Also von daher, alle haben es richtig gemacht.

Johannes Quirin: Ja, das gibt ja auch ein gutes Gefühl, wenn du solche Geschichten dann einfach auch hörst. Das ist natürlich die beste Bestätigung für deine Arbeit, für eure Arbeit. Und ich sage herzlichen Dank, Christian, für diese spannenden Einblicke in die Welt der Hofnachfolge und die Zukunft der Landwirtschaft. Dankeschön.

Christian: Ja. Ja, danke auch und sehr gerne.